Der erste Tag in Amed
Bei unserer Ankunft in Amed werden wir von einem jungen Rechtsanwalt aus Izmir in Empfang genommen und zu unserem Schlafdomizil am Stadtrand gebracht (ein Gästehaus der städtischen Wasserwerke).
Der Mann, der uns abholt, arbeitete seit einigen Monaten an der Vorbereitung für die Konferenz. Er meinte, diese Stadt hier sei etwas völlig anderes wie die restliche Türkei. Es war eine unglaublich mühselige Arbeit, hier an diesem Ort, an dem die meisten Menschen verschwunden sind, eine Konferenz dazu zu organisieren. Aber trotz der Schwierigkeiten, die es bedeutete in einem für ihn quasi fremden Land (Kurdistan) zu arbeiten, meinte er es sei für ihn eine sehr wichtige Erfahrung gewesen, die Menschen hier und ihre politische Bewegung kennen zu lernen. Er fügte auch hinzu, dass es in seiner Heimatstadt Izmir sehr schwierig ist, sich für die Rechte von Kurden einzusetzten, weil der türkische Chauvinismus sehr dominant ist.
Wir beginnen unseren Aufenthalt in Amed mit einem etwas frustrierenden Erlebnis. Der Besuch bei seiner sogenannten NGO, bei der sich bald herausstellte, dass ihre Finanzierung durch die EU die entsprechende politische Gefälligkeit und die Kollaboration in der Abschiebepolitik der EU zur Folge hat. "Selbstverständlich können Kriegstraumatisierte bei uns behandelt werden" heißt es da. Wie sie behandelt werden, das bleibt schleierhaft, angesichts der Tatsache, dass uns der nette Herr versichert es gäbe Ärzte, ein Psychologe sei auch darunter, an die man die Traumatisierten schicken würde. Den deutschen Abschiebebehörden reicht eine solche Aussage.
Aber wir werden für dieses niederschlagende Erlebnis belohnt, als wir die Stadt und Ihre Menschen anfangen kennenzulernen. Die Armut ist zwar enorm, es gibt kaum Arbeit, aber das Volk lässt sich nicht unterkriegen. Es ist erstaunlich wie schnell sich Leute auf der Straße in einem Polizeistaat wie diesem uns gegenüber zur kurdischen Nationalbewegung bekennen.
Ich merke, dass es micr nicht leicht fällt, die Richtigen Worte zu finden, die diesen Stolz der Menschen trozt Armut und trotz Repression (Fast alle haben Angehörige im Gefängnis oder waren selber lange Zeit im Gefängnis oder stehen kurz davor) auzudrücken vermögen. Ich hoffe, dass einige der Fotos die ausdrücken können.
Beeindruckend ist jedenfalls das kurdische Kulturzentrum im Herzen der Altstadt. Hier lernen und trainieren Jugendliche (junge Männer und Frauen gemeinsam) und bauen sich eine echte Alternative zu den von dem türkischen Staat vorgezeichnentem Leben auf. Sie wollen sich selber und ihre Gemeinschaft in einem unerfüllbarem Streben nach westlichem Massenkonsum nicht vergessen, sondern ein an der Gemeinschaft und an aktiver Kultur orientiertes Leben führen. Nicht nur jugendliche sind dort. Auch älte Männer treffen sich zum Tee und um gemeinsam zu Singen und zu Reden. eine Trennung der Generationen wie in Europa gibt es dort anscheinend nicht.
Wir lernen schließlich auch die kurdische Gastfreundschaft kennen. Zwei Männer die wir kennen gelernt haben, betehen darauf, uns in ein stattliches Lokal zu Essen einzuladen. Es beschämt uns, da wir im Gespräch erfahren haben, in welch schwieriger wirtschaftlichen Situation sie beide steckten. Der eine schilderte, er habe zehn Kinder aber keine Arbeit. Auch keines seiner ältern Kinder habe bis jetzt Arbeit gefunden. Die einzig gut bezahlte Arbeit die es gäbe, sei im Irak als Lastwagenfahrer zu arbeiten. Das ist aus verständlichen Gründen keine gute Option. Wir versuchen die einladung auszuschlagen, bzw. zumindest einen Teil selber zu bezahlen. Es geling uns nicht. Wir speisen fürstlich mit Lahmacun verschiedenen Salaten und Broten und einem aufgeschäumten Ayran.
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